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Wie Ebbe und Flut

Datum:
12. März 2025
Von:
Elfriede Klar

Immer wieder neu machen wir die Erfahrung: Soeben erreichte uns eine gute Nachricht, die uns beflügelt, geradezu in Hochstimmung durch den Alltag trägt- dann lässt es nicht lange auf sich warten, da schlägt es wie eine Bombe ein - die Diagnose einer schweren Krankheit, eine tiefgehende Enttäuschung, ein Todesfall. Es zerreißt uns förmlich und die Frage nach dem Warum schreit aus uns heraus. Nach der ersten Aufregung versuchen wir dann, unsere Gedanken wieder zu ordnen und finden bestätigt: Nichts bleibt, wie es ist - Leben ist Bewegung und Veränderung, ist geprägt von der Polarisation von Freude und Sorge, von Liebe und Leid, von Begegnung und Abschied, von Leben und Sterben. In diesem Spannungsfeld vollzieht sich unser Leben, mein Leben, mir geschenkt zum Gestalten und Genießen, zum Wachsen und Reifen.

Beim Hereinbrechen schlimmer Ereignisse sprechen wir oft von Hiobsbotschaften. Von Hiob wird im AT erzählt, einem gottesfürchtigen und redlichen Mann, dem durch unglückliche Umstände alles genommen wird, was er besitzt und ihm lieb ist. Doch sein tief gefestigtes Vertrauen in einen guten und gerechten Gott lässt ihn verzweifelnde Momente und seine Verlassenheit überstehen. Und am Ende wird ihm eine Lebensfülle zuteil, wie er sie vorher nie erlebt hatte.

Da denke ich an einen Satz des Schriftstellers Grillparzer: „ Gott nimmt uns nicht die Lasten - er stärkt uns die Schultern“. Das finden wir auch bestätigt in der Aussage Gottes bei der Offenbarung seines Namens und Wesens als der „Ich-bin-da“, der mit uns auf dem Weg durchs Leben ist.

Auch ein Text des zeitgenössischen Rainer Haak hat mich beeindruckt: „ ein paar Schritte durch ein Blumenbeet können böse Spuren hinterlassen. Dagegen - auf einer befestigten Straße wäre nichts zu sehen. Manchmal möchte ich sein wie ein harter Stein, in dem keine Spuren zurückbleiben, damit ich keine Verletzungen erleide. Ein Stein erspart sich vieles - aber ich würde auf das Leben verzichten. Und ich will leben!“. Dann bleiben einfach Schmerzen, Sorgen, Konflikte und Verletzungen die ständigen Begleiter, aber auch Trost, Nähe, Begegnung, Geborgenheit und Glück. Die Lebenskunst besteht wohl darin, in uns eine vertrauensvolle Grundhaltung aufzubauen, die uns gleichsam über Höhen und Tiefen zu tragen vermag - in dem Bewusstsein, das auf jede dunkle Nacht ein Heller Morgen folgt und auf jeden Karfreitag ein Ostermorgen.

Auf die zu Beginn aufgeworfene Frage nach dem Warum finde ich bei dem flämischen Theologen Phil Bosmans eine Antwort: „… Weil der Mensch ein Stück Natur ist, dem Rhythmus des Meeres folgt - mit Ebbe und Flut. Weil unser Dasein eine ständige Wiederholung ist von Leben und Sterben. Wenn du das begreifst, dazu ja sagst und es hinnehmen kannst, wirst du durch dieses Auf und Ab zu immer größerer Lebenstiefe und Lebensfreude kommen.“