Alt werden - ja, Alt sein…?
Vor kurzem wurde ich von einer Pflegeschule zu einem Gespräch eingeladen. Der Grund: Ein alter Mensch wurde als lebendiger Unterrichtsgegenstand benötigt. Jetzt habe ich es amtlich: Ich bin alt. So ganz genau wurde mir nicht erklärt, wie man ausgerechnet auf mich gekommen ist, aber so durfte ich mich Neunzig spannende Minuten den Fragen der Auszubildenden stellen. Sehr offen haben sie mich gefragt: wie sich mein Leben mit zunehmendem Alter verändert hat z.B. oder wie ich mich in dieser Situation fühle und wie ich meine Zukunft sehe. Man hatte mir zur Vorbereitung mögliche Fragen aus einem Lehrbuch geschickt. So konnte ich mich schon mal mit meinem Altwerden und -sein auseinandersetzen. Als ich mich nach der Begegnung gut gelaunt auf mein E-Bike schwang und heim radelte, wurde mir so richtig bewusst, was es für ein Glück ist, mich noch auf diese Weise – sehr gerne! – fortbewegen zu können.
„Alt werden ist nichts für Feiglinge“ hat mal der Schauspieler Joachim Fuchsberger festgestellt. Unsere Gesellschaft altert, ich bin Teil davon. In meiner Umgebung nehmen die Beeinträchtigungen zu, Krankheiten beschäftigen immer häufiger Freun-dinnen und Freunde, auch mich selbst. Meine selbst gestaltete Kondolenzkarte muss-te ich letztens nachdrucken lassen; immer häufiger habe ich sie benötigt.
„Der Tod ist nicht das letzte Wort“ ist der Titel eines noch immer lesenswerten Büchleins des Theologen Gerhard Lohfink. Was bewirkt die Hoffnung, dass es ein irgendwie geartetes Leben über den Tod hinaus gibt im Prozess des Älterwerdens? Bis jetzt trägt mich diese Hoffnung. Meine Endlichkeit empfinde ich nicht als Bedrohung, nicht als eine bedauerliche Einschränkung vieler noch ausstehender Möglichkeiten. Gelas-sen darf ich in die Zukunft blicken und ich werde nicht von dem Gedanken gehetzt, möglichst viele Gelegenheiten noch nutzen zu müssen, solange dies physisch und psychisch noch möglich ist. Die Zuversicht, irgendwann in den Armen Gottes landen zu dürfen, befreit. „Der Tod ist eine Lebensfrage“ – Wenn der Tod nicht das endgültig Aus, ein Nichts bedeutet, gewinnt auch jeder Tag seine eigene Besonderheit, die ich dankbar wahrzunehmen versuche.
Wolfram Viertelhaus, Wittlich